Ist das Thema Enteignungen im Hinblick auf den Neubau von Wohnungen förderlich?
Spätestens seit der Debatte um mögliche Enteignungen ist klar: der Wohnraum in Deutschlands Ballungszentren ist knapp. Doch statt Ankurbelung des Wohnungsbaus ging die Anzahl der Baugenehmigungen in den ersten drei Montan dieses Jahres gegenüber 2018 sogar zurück.
Verantwortlich dafür ist unter anderem die schleppende Bearbeitung der Anträge seitens der Bauämter, betont Inga Stein-Barthelmes vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Das Portal Finanzen.de hat mit ihr ein Interview geführt, in dem es um weitere Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel geht und warum die Debatte rund um die Enteignung von Wohnungskonzernen dabei nicht förderlich ist.
Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen im ersten Quartal 2019 zurückgegangen. Was sind für Sie die Hauptgründe für diese Entwicklung?
Inga Stein-Barthelmes: In der Tat ist die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal gesunken. Demgegenüber wurden jedoch viele Bauanträge gestellt – jedoch bisher nicht genehmigt. Das liegt zum einen an der Bearbeitungsdauer. Die Bauämter und auch die Kommunen sind personell unterbesetzt, das darf man nicht vergessen. Wir als Bauindustrie fordern bei den Bauämtern seit Langem eine personelle Aufstockung, damit Bauanträge zügig bearbeitet und genehmigt werden können – insbesondere in Anbetracht der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen.
Ein weiterer Grund könnte ein Mangel an Bauland sein. Das kommt natürlich immer auf die jeweilige Region an. Auch hier spielen die Ballungsräume eine wichtige Rolle, denn dort ist meist nicht mehr viel an Bauland zu holen. Hier braucht es Alternativen wie die Aufstockung bestehender Gebäude.
Wie könnte sich der Rückgang auf den ohnehin vielerorts angespannten Wohnungsmarkt sowie die Preisentwicklung auswirken?
Inga Stein-Barthelmes: Wir müssen natürlich erst einmal abwarten, denn bisher ist es nur ein Quartal, das wir betrachten können. Generell sehen wir, dass der baukonjunkturelle Boom nach wie vor anhält und dies wohl auch noch im nächsten Jahr tun dürfte, sodass keine Sorge besteht, dass Bauunternehmen ihre Kapazitäten abbauen, ganz im Gegenteil.
Dennoch wünschen wir uns von der Bundespolitik ein ganzheitliches Konzept, wie mit derartigen Entwicklungen umzugehen ist. Wir haben einen Bevölkerungszuwachs sowie Zuwanderung und diese Menschen müssen untergebracht werden. Dahingehend brauchen wir Konzepte, damit die Menschen nicht alle in Großstädte ziehen, wie es der aktuelle Trend ist. Das liegt auch daran, dass ländliche Regionen infrastrukturell nicht gut angebunden sind und zunehmend verarmen. Genau dort muss jedoch angesetzt werden, damit die Menschen auch wieder in den ländlichen Raum ziehen.
Welche sind in Ihren Augen die drei wichtigsten Stellschrauben in der Bau- bzw. Wohnungspolitik, um der wachsenden Wohnungsnot entgegenzutreten?
Inga Stein-Barthelmes: Im Rahmen des angesprochenen Konzepts wünschen wir uns auch, dass die Bundesländer viel stärker zusammenarbeiten. Hinsichtlich des Wohnungsbaus sollte man sich unbedingt auf eine einheitliche Bauordnung einigen anstelle der bisher stark unterschiedlichen Regelungen.
Wir müssen endlich zu einer sogenannten Typengenehmigung kommen. Sprich, wenn jemand ein Gebäude in Berlin gebaut hat, sollte dies abgesehen von planungstechnischen Anpassungen auch in Bremen möglich sein. Dies würde den gesamten Bauprozess schon enorm beschleunigen. Natürlich gibt es immer Projekte, die eine lange Planung benötigen, aber andere müssen einfach schnell umgesetzt werden. Eine einheitliche Bauordnung würde hier einiges vorantreiben.
Im Frühjahr dieses Jahres gab es zahlreiche Demonstrationen, bei denen eine Enteignung großer Wohnungsbaukonzerne gefordert wurde, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie beurteilen Sie derartige Aktionen?
Inga Stein Barthelmes: Die Diskussion wird natürlich sehr polarisierend und emotional getrieben. Generell ist das Thema Enteignungen im Hinblick auf den Neubau von Wohnungen nicht gerade förderlich. Zudem heißt eine Enteignung noch lange nicht, dass das jeweilige Gebäude sofort bezugsfertig ist. Es gibt gesetzliche Rahmenbedingungen, wer wen wann enteignen darf. Diese Regelungen sind natürlich einzuhalten und man kann nicht einfach sagen, weil ein Gebäude lange leer steht, holt es sich der Staat zurück.
Hinzu kommt der Kostenfaktor, der eine entscheidende Rolle spielt. Das jeweilige Bundesland muss beispielsweise für die energetische Sanierung des Gebäudes aufkommen. In diesem Sinne macht es in den meisten Fällen weitaus mehr Sinn, neu zu bauen anstatt zu enteignen.
Sie setzen sich für die Interessen der Bauindustrie ein. Wie werden diese von der Baupolitik der aktuellen Bundesregierung berücksichtigt?
Inga Stein-Barthelmes: Also wenn man sich das Thema Bau anschaut, kann ich wohl für die gesamte Wertschöpfungskette sprechen und sagen, dass wir es sehr schwierig finden, dass das Ressort immer weiter in den Hintergrund rückt. Derzeit liegt es zwar im wichtigen und finanzstarken Innenministerium. Doch auch dort wird das Bauen eher am Rande behandelt. Dafür, dass wir konjunkturell die Branche mit einem großen Plus sind und viele Arbeitsplätze sowie Fachkräfte sichern, ist es uns ein Rätsel, warum wir politisch immer weiter an den Rand rücken.
Für uns müsste es ganz klar ein Bauministerium geben, in dem Infrastruktur, Hochbau und Co. vereint sind. Derzeit sind die verschiedenen Themen in unterschiedlichen Ministerien vertreten, sodass es immer wieder zu Abstimmungsprozessen kommt, die nicht reibungslos funktionieren und zu Verzögerungen führen. Der Bausektor benötigt somit wieder einen höheren Stellenwert.
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Quelle: finanzen.de